Berliner Debatte Initial 3 | 2004

Entwicklung oder Transformation

Herausgeber: Heiko Schrader | Ingrid Oswald

126 Seiten

Die Transformationsforschung zu den Gesellschaften (post-)sowjetischen Typs als ein reich verästelter Zweig der sozial-, politik- und kulturwissenschaftlichen empirischen  Forschung und Modellbildung wurde in den letzten Jahren wiederholt als „weitgehend abgeschlossen“ und daher obsolet dargestellt. Demgegenüber findet sich bei zahlreichen Transformationsforschern die Haltung, daß die Gesellschaftstransformation mit dem Institutionentransfer noch lange nicht abgeschlossen ist. So hält eine entsprechende Literaturproduktion an, wenn sie auch nicht mehr so unübersehbar ist wie zu den Blütezeiten der (wissenschafts-)politischen Förderung. In forschungspraktischer wie auch erkenntnistheoretischer Hinsicht änderten sich die Paradigmen im Laufe der Zeit. Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre Adaptionen einer recht anspruchslosen teleologischen Modernisierungstheorie überwogen, wurden diese ein halbes Jahrzehnt später zugunsten von Ansätzen verworfen, die sich mit der Reichweite sowie historischen und kulturspezifischen Verankerung pfadabhängiger Transformationsprozesse befaßten. Die Gradualisierung des Geschehens sowohl in Beobachtung als auch Theoriebildung zeigt weitaus mehr Facetten und gilt weithin für „realitätsnäher“ als eine vor allem auf den Aufbau demokratischer und marktkapitalistischer Basisorganisationen verengte Transitionsforschung. Gleichwohl sind die Abgrenzungen zu Formen beschleunigten, „krassen“ sozialen Wandels dann nicht mehr umstandslos auszumachen. Wurden nicht nur Umfang, Reichweite und Abhängigkeit der Prozesse von Transformation oder des sozialen Wandels unterschiedlich eingeschätzt, so waren auch die in Frage kommenden Gesellschaften längst nicht mehr auf das ehemalige sozialistische Lager Osteuropas beschränkt. Auch zahlreiche Gesellschaften sozialistischen Typs in Asien, Afrika und Lateinamerika – allen voran China – erfuhren eine Systemtransformation.

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