Training versus Wettkampf
Der Faustkampf war seit 688 v.u.Z. Bestandteil der Olympischen Spiele und galt im antiken Hellas als idealtypische Verkörperung der Arete. Die Akzentuierung von physischer Leistungsfähigkeit, Härte und Mut, die „durch gründliche Körperschulung erworben und im Kampf und im Wettkampf bewiesen werden mußten“, läßt sich fast bruchlos in die Epoche des modernen Boxens und seines Pflichtenkanons transferieren. Trotz der unbestrittenen historischen Dimension des Boxens und seiner Persistenz als Inbegriff der kämpferischen Auseinandersetzung zweier Kontrahenten nach bestimmten Regeln war die akademische Beschäftigung mit diesem Thema lange Zeit unterrepräsentiert. So konstatierte denn auch der amerikanische Historiker Jeffrey T. Sammons Ende der achtziger Jahre: „Es geschieht nicht häufig, daß ein Geschichtswissenschaftler über Preisboxen schreibt, einen Sport, der mehr Menschen dazu gebracht hat, die Nase zu rümpfen, als nach einem Stift zu greifen.“ Der Stellenwert des Boxens als Sport, vor allem aber auch als gesellschaftliches und soziales Phänomen, ist seit jeher umstritten gewesen. Diese kritische und oft ausdrücklich negative Sichtweise hat sich in der Einschätzung reproduziert, das Boxen sei kein angemessener Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie. John Welshman pointiert diese traditionelle akademische Meidbewegung, wenn er schreibt: „Es ist unterstellt worden, daß das Boxen wegen seiner besonderen Eigenart für professionelle Sozialhistoriker als ein nicht sehr vielversprechendes Thema gilt und daß der Widerwille diesem Sport gegenüber das akademische Interesse abgeschreckt hat.“ Während sich im englischsprachigen Raum in den letzten Jahren ein ernstzunehmender Diskurs zu etablieren beginnt4, treffen die o.g. Aussagen auf Deutschland, wo die Diskussion über das Boxen lange Zeit völlig marginalisiert war, noch stärker zu. Doch auch hier nimmt, ausgelöst durch den temporären Boxenthusiasmus der neunziger Jahre, die Beschäftigung mit dem Boxen als gesellschaftlichem, kulturellem und literarischem Phänomen allmählich zu.
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