Brauchen wir Bürgertugenden oder demokratischere Institutionen?
11 Seiten | Autor: Alessandro Pinzani
Böckenfördes Diagnose, moderne Demokratien lebten von Voraussetzungen, die sie nicht imstande sind, selbst zu produzieren, ist fast zum locus communis der politischen Philosophie (nicht nur in Deutschland) geworden. Gebetsmühlenartig wird sie von Kritikern des liberalen Staats zitiert, die in einem moralisch oder zumindest ethisch desengagierten Gesetzgeber die größte Gefahr für das Weiterbestehen unserer Demokratien sehen. Dem in unseren demokratischen Gesellschaften dominierenden Individualismus und Pluralismus wird angelastet, die Grundsätze jener Gesellschaften selbst irreparabel verändert zu haben, und die Bürger werden aufgefordert, sich ihrer Verpflichtungen gegenüber der politischen Gemeinschaft zu besinnen. Gemeint sind dabei natürlich nicht nur die rechtlichen Verpflichtungen, denn es ist schließlich Aufgabe des Staates selbst, deren Erfüllung zu fordern. Auf etwas mehr als die bloße Legalität im Kantschen Sinne kommt es an: auf authentische Bürgertugenden, die von den Individuen aus anderen Gründen als einfachem Rechtsgehorsam entwickelt werden sollten.
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