Institutionentheoretischer Individualismus:

Hume vs. Parsons

9 Seiten | Autor: Tom Seidel

Der mit der Neuzeit einsetzende und sich in der Moderne verstärkende Prozeß der Rationalisierung der Gesellschaft ist nicht nur ein Umformungs- und Ablöseprozeß des Traditionalismus zugunsten des Institutionalismus als normativem Gerüst der Gesellschaft, sondern vor allem auch ein Prozeß der Individualisierung, mit dem er gleichursprünglich verbunden ist. Diesem Befund widerspricht auch nicht der Umstand, daß rationalisierte Gesellschaften ebenfalls Traditionen entwickeln und sich auf diese berufen. Vielmehr ändert sich der Status des Rationalen in rationalisierten Gesellschaften vom bloßen Mittel zu einem Zweck der Gesellschaft.1 Den Traditionalismus kann man als eine Position definieren, deren Begründungsbasis die faktische Autorität der gewohnten Lebensweise einer Gemeinschaft oder die eine Gemeinschaft transzendierende metaphysische Autorität ist.2 Als die wichtigste Grundlage eines nichttraditionellen Verständnisses von Moral, Recht und Politik kann dagegen die Vorstellung einer Gemeinschaft freier, rationaler Individuen angesehen werden, die in begründungstheoretischer Hinsicht vor allem in den Positionen des methodologischen Atomismus und des methodologischen Individualismus3 ihren Niederschlag gefunden hat. Der Sache nach bilden sich diese Theorien seit der Renaissance und in der Reformation als humanistische Gegenbewegungen zum Ordodenken der Scholastik heraus, bevor sie in der europäischen Aufklärung und der Transzendentalphilosophie ihre volle philosophische Entfaltung finden. In diesem Zusammenhang thematisiert die Moderne die Sozialisierung des Individuellen in zweierlei Hinsicht, nämlich einerseits mit Blick auf dessen Uniformierung, andererseits mit Blick auf dessen Liberalisierung.

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Erschienen in
Berliner Debatte 5 | 2004
Kultur als Entwicklungsvariable in Osteuropa
208 Seiten

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