Regierungskultur und Regierungspraxis

Am Beispiel Bulgariens, Tschechiens und Ungarns

10 Seiten | Autor: Martin Brusis

Warum haben einige der postsozialistischen Länder Europas nach relativ reibungslosen politischen Übergängen zu Beginn der neunziger Jahre heute die Mitgliedschaft in der Europäischen Union erreicht, während andere keine stabile rechtsstaatliche Demokratie ausbildeten, in Staatlichkeitskonflikte verfielen oder zu autoritären Strukturen zurückkehrten? Die Unterschiede im ökonomischen Ausgangsniveau und im einstigen staatssozialistischen Herrschaftssystem können das nicht hinreichend erklären. Zur kausalen Erklärung der divergierenden Entwicklungen rekurrieren viele Autoren auf die kulturelle Ressourcenausstattung, die die ostmitteleuropäische Region aufgrund ihrer jahrhundertelangen Zugehörigkeit zu Mitteleuropa erhielt und die diese Region von den weiter östlich und südöstlich gelegenen Gebieten unterscheidet. Ostmitteleuropa hatte an der Entwicklung moderner Staatlichkeit teil, die von der Französischen Revolution und vom Liberalismus ausging und Österreich-Ungarn, Preußen sowie die von diesen Mächten kontrollierten ostmitteleuropäischen Gebiete erfaßte. Die ost- und südosteuropäischen Regionen waren dagegen als Teile des Osmanischen Reiches bzw. des zaristischen Rußland von diesen Einflüssen weitgehend abgekoppelt. Die kulturelle Differenz zwischen ostmittel- und südost- bzw. osteuropäischer Entwicklung läßt sich historisch sogar noch weiter zurückverfolgen und mit Verweis auf das römische Recht, den mittelalterlichen Städtegürtel als Kern urban-bürgerlicher Kultur, die katholische Kirche und die Reformation dokumentieren.

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Erschienen in
Berliner Debatte 5 | 2004
Kultur als Entwicklungsvariable in Osteuropa
208 Seiten

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